Rassendiskriminierung in der Arbeitswelt

Arbeitsvertrag und Diskriminierungsverbot

Die Vertragsfreiheit ist eine Grundlage des Vertragsrechts: Sie ist Ausdruck der Parteiautonomie. Doch obwohl sie grundlegend ist, sind der Vertragsfreiheit Grenzen wie das Diskriminierungs verbot gesetzt. Artikel 328 des Obligationenrechts garantiert den Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmenden und begründet ein allgemeines Recht auf Gleichberechtigung in den Arbeitsbeziehungen.

Rassendiskriminierung kann zu verschiedenen Zeitpunkten eines Vertragsverhältnisses vorkommen. Sie kann schon bei der Einstellung, bei der Vertragserfüllung selbst (rassistische Belästigung oder Mobbing) oder auch als Kündigungsgrund auftreten.

Im Folgenden finden Sie alle Entscheide, in denen sich Gerichte für den Diskriminierungsschutz ausgesprochen haben:

 

Diskriminierungsverbot bei der Anstellung

Einer Frau wird eine Reinigungsstelle verwehrt, weil der Arbeitgeber sich weigert, «Leute aus dem Balkan und Kopftücher» einzustellen. Das Gericht erinnert jedoch daran, dass der Arbeitgeber angehalten ist, die Persönlichkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zu schützen und zwar auch während dem Anstellungsverfahren (Art. 328 OR). Im vorliegenden Fall gibt es keinen Grund – auch nicht ein allfälliger Kundenverlust –, der eine Verweigerung der Anstellung aufgrund der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit der rechtfertigen würde. Der Klägerin wurde als Genugtuung eine Entschädigung von 5000 Franken zugesprochen.

Quelle: Urteil des Arbeitsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Januar 2006

 

Verweigerung einer Anstellung aufgrund der Hautfarbe

Eine Schweizerin mit kamerunischen Wurzeln bewirbt sich um eine Stelle als Nachtwächterin in einem Pflegeheim. Die Direktorin verweigert ihr die Anstellung aufgrund ihrer Hautfarbe, die ihrer Meinung nach «die Bewohner erschrecken» könnte. Die Direktorin beruft sich auf die Vertragsfreiheit, d. h. das Recht, die anzustellende Person selbst zu wählen. Das Gericht erinnert jedoch daran, dass Art. 328 OR den Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu schützen, und ein allgemeines Recht auf Gleichbehandlung in den Arbeitsbeziehungen begründet. Demzufolge verletzt die Verweigerung der Anstellung aufgrund der Hautfarbe die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers. Der Klägerin wurde als Genugtuung eine Entschädigung von 5000 Franken zugesprochen.

Quelle: Urteil des Arbeitsgerichts des Gerichtskreises Lausanne vom 1. Juni 2005

 

Entlassung aufgrund der Hautfarbe

Aufgrund von fehlenden Waren im Bestand eines Ladens wird drei Asylsuchenden aus Angola bzw. Zaïre gekündigt. Beim Kündigungsgespräch zieht der Verkaufsleiter eine Parallele zwischen der Anwesenheit von schwarzen Angestellten und den fehlenden Waren in den Läden, indenen sie arbeiteten. Artikel 336 Abs. 1 Bst. a OR schützt vor missbräuchlicher Kündigung. Die Bestimmung richtet sich gegen diskriminierende Entlassungen, beispielsweise aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Nationalität oder des Alters. Das Gericht beurteilte die Kündigung im vorliegenden Fall als missbräuchlich, da sie aufgrund rassistischer Motive, d. h. aufgrund der Hautfarbe der Asylsuchenden erfolgte. Dem Kläger wurde eine Entschädigung zugesprochen.

Quelle: Bundesgerichtsentscheid vom 11. November 1993, Erste zivilrechtliche Abteilung

 

Missbräuchliche Kündigung wegen Tragen des Kopftuchs

Eine Frau, die in einer Wäscherei arbeitete, informierte ihre Vorgesetzten, dass sie bei der Arbeit ein Kopftuch tragen möchte. Weil sie ein Kopftuch trug, wurde sie entlassen, obwohl sie ihre Arbeitseit sechs Jahren zur vollen Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten verrichtete. Das Gericht erklärte die Kündigung für missbräuchlich, weil das Tragen des Kopftuchs ein verfassungsmässig geschütztes Grundrecht ist und weil in diesem Fall keine glaubwürdigen Sicherheits- und Hygieneanforderungen geltend gemacht wurden.

Quelle: Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 8. September 2016


Eine türkisch-stämmige Frau muslimischen Glaubens, die seit neun Jahren in einem Unternehmen für Elektrohaushaltgeräte arbeitet, beschliesst, ein Kopftuch zu tragen. Als Folge davon wird ihr die Stelle als Monteurin gekündigt. Laut dem Gericht ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einverfassungsmässig geschütztes Recht ausübt, das dem ordentlichen Betrieb des Unternehmens nicht schadet. Die Klägerin beruft sich auf die Religionsfreiheit nach Artikel 15 der Verfassung, die ihr erlaube, bei der Arbeit ein Kopftuch zu tragen. Das Gericht spricht ihr eine Entschädigung von 5000 Franken für die missbräuchliche Kündigung zu.

Quelle: Urteil der Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. Mai 1991

 

Kündigung als «Vergeltungsmassnahme»

Ein jüdischer Maler bittet seinen Arbeitgeber, schlecht bemalte Oberflächen nicht mehr «jüdisch» zu nennen, obwohl dies in seinem Beruf eine geläufige Bezeichnung ist. Aufgrund dieser Bitte wird dem Arbeiter fristlos gekündigt.

Artikel 328 OR verpflichtet den Arbeitgeber, die Persönlichkeit seiner Angestellten zu schützen, namentlich ihre persönliche und berufliche Ehre und ihre körperliche Integrität. Die Verwendung des Begriffs «jüdisch» zur Bezeichnung schlechter Malerarbeiten stellt eine ungerechtfertigte Verletzung der Persönlichkeit von jüdischen Malern dar. Aus diesem Grund darf der Angestellte verlangen, dass das persönlichkeitsverletzende Verhalten aufgegeben wird. Eine Kündigung ist missbräuchlich, wenn sie darauf beruht, dass der Angestellte ein vertraglich vereinbartes Recht geltend macht, in diesem Fall das Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit. Demzufolge erklärte das Gericht die Kündigung für missbräuchlich.

Quelle: Urteil des Kreisgerichts St. Gallen vom 8. November 1999

 

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